Zusammenfassung des Urteils IV 2012/216: Versicherungsgericht
Die Beschwerdegegnerin hat die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers unverhältnismässig gefordert, weshalb die verhängte Sanktion unzulässig ist. Der medizinische Sachverhalt ist noch nicht spruchreif, daher muss das Verfahren zur weiteren Abklärung zurückgewiesen werden. Die Beschwerdegegnerin hat die gesamte Gerichtsgebühr zu tragen. Es wird keine Parteientschädigung gewährt. Die angefochtene Verfügung vom 4. Mai 2012 wird teilweise aufgehoben. Die Sache wird zur Weiterführung des Abklärungsverfahrens zurückgewiesen.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | IV 2012/216 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | IV - Invalidenversicherung |
Datum: | 12.12.2013 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 43 Abs. 3 ATSG. Auflagen im Rahmen der Mitwirkungspflicht bei Polytoxikomanie. Die getroffenen Anordnungen beschlagen einzig die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers und ihre Verhältnismässigkeit hat sich am angestrebten Zweck, nämlich der Ermöglichung einer gutachterlichen Abklärung der Arbeitsfähigkeit unter Ausschluss einer suchtmittelinduzierten Arbeitsunfähigkeit, zu richten. Mit anderen Worten kann im vorliegend zu beurteilenden Abklärungsstadium nicht mehr gefordert werden, als ein Verhalten, das den Experten in die Lage versetzt, sich ein ausreichendes Bild über die gesundheitliche Situation zu verschaffen. Verhältnismässigkeit der Auflagen verneint, da mildere Anordnungen in Betracht fielen (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 12. Dezember 2013, IV 2012/216). |
Schlagwörter: | IV-Stelle; Drogen; Auflage; Verfügung; Abklärung; Mitwirkung; Akten; Auflagen; Sucht; Benzodiazepine; Mitwirkungs; Quot; Mitwirkungspflicht; Hinweis; Begutachtung; Sozialamt; Arbeitsfähigkeit; Benzodiazepinen; Labor; Sachverhalt; Hepatitis; Gutachten; Persönlichkeit; Entzug; Untersuchung |
Rechtsnorm: | Art. 21 ATSG ; |
Referenz BGE: | 108 V 231; 117 V 265; 125 V 195; 130 I 183; 132 V 215; |
Kommentar: | - |
Entscheid vom 12. Dezember 2013
in Sachen
A. ,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Sozialamt der Stadt St. Gallen, Brühlgasse 1, 9004 St. Gallen,
gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin,
betreffend
IV-Leistungen (Mitwirkungspflicht) Sachverhalt:
A.
Am 1. Juli 1995 meldete sich A. , geboren 19 , zum Bezug von IV- Eingliederungsleistungen an (act. G 3.2). Der damalige Hausarzt des Versicherten, Dr. med. B. , Arzt für Allgemeine Medizin FMH, diagnostizierte am 10. November 1995 eine chronisch aktive Hepatitis C, Status nach Hepatitis B, und eine Polytoxikomanie (Methadonprogramm seit 1992; act. G 3.7-1 f.). Der Versicherte befand sich vom 11. August bis 14. November 1997 zur beruflichen Abklärung in der
Zeichnerabteilung (Hochbau) in der Stiftung Arbeitszentrum für Behinderte C. . Die dortigen Abklärungspersonen berichteten am 18. November 1997, der Versicherte sei in der momentanen Verfassung nicht in der Lage, den Anforderungen einer Hochbauzeichnerlehre zu genügen. Mangelnde soziale Kompetenz und eine noch nicht bewältigte, belastende Vergangenheit würden ihn mit Sicherheit scheitern lassen (act. G 3.24). Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen wies mit Verfügung vom 30. Dezember 1997 einen Anspruch auf berufliche Massnahmen ab (act. G 3.28). Diese Verfügung blieb unangefochten.
Der Versicherte meldete sich am 23. August 2004 erneut zum Bezug von IV- Leistungen an (act. G 3.29). Der seit 3. Juli 2000 behandelnde Dr. med. D. , Arzt für Allgemeinmedizin FMH, diagnostizierte im Bericht vom 22./24. November 2004 eine Polytoxikomanie, eine chronische Hepatitis C, eine chronisch depressive Entwicklung, eine soziale Phobie sowie eine Persönlichkeitsstörung. Seit dem 13. August 2003 sei der Versicherte für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Maurer/Kranführer zu 100% arbeitsunfähig; in adaptierter Tätigkeit bestehe bestenfalls eine teilweise Arbeitsfähigkeit (act. G 3.43). Im Auftrag der IV-Stelle wurde der Versicherte am
12. September 2006 in der ABI Aerztliches Begutachtungsinstitut GmbH internistisch
und psychiatrisch untersucht. Die ABI-Gutachter diagnostizierten in der Expertise vom
31. Oktober 2006 mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit eine Polytoxikomanie (Opiate, Kokain und Benzodiazepine; ICD-10: F19.2). Ohne Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit bestünde eine chronische Hepatitis C (ICD-10: B18.2) sowie eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F43.1). Aufgrund der ausgeprägten Polytoxikomanie sei keine Arbeitsfähigkeit gegeben. Es handle sich um eine primäre Drogenabhängigkeit (auf S. 11 des Gutachtens wird dagegen mit Hinweis auf ein forensisches Gutachten von 1989 von einer nicht primären Sucht gesprochen, act. G 3.50-12). Es bestünden keinerlei Hinweise auf irreversible geistige psychische Schäden nach langjährigem Drogenkonsum. Aus psychiatrischer Sicht wäre dem Versicherten daher die bisherige berufliche Tätigkeit weiterhin zumutbar, vorausgesetzt er verzichte auf den Konsum psychoaktiver Substanzen. Rein theoretisch wären dem Versicherten eine stationäre Entzugsbehandlung und eine länger dauernde Drogentherapie zumutbar (act. G 3.50).
Gestützt auf das ABI-Gutachten gelangte der RAD in der Stellungnahme vom
8. Januar 2007 zum Schluss, da eine primäre bzw. isolierte Sucht vorliege, würden IV- rechtlich keine Leistungen ausgelöst. Ein Verzicht auf den Konsum psychoaktiver Substanzen sei dem Versicherten zumutbar (act. G 3.52). Nach durchgeführtem Vor bescheidverfahren (zum Vorbescheid vom 12. März 2007 bzw. Einwand vom 27. April 2007 siehe act. G 3.58 bzw. G 3.60; zum eingereichten Bericht des behandelnden Psychotherapeuten E. vom 12. Mai 2007 siehe act. G 3.64) verfügte die IV-Stelle am
22. Mai 2007 die Abweisung des Leistungsbegehrens. Die Abklärungen hätten
ergeben, dass die Arbeitsunfähigkeit vor allem durch das Abhängigkeitsverhalten begründet sei und deshalb keine Invalidität im Sinn des Gesetzes vorliege (act. G 3.66). Dagegen erhob der Versicherte am 22. Juni 2007 Beschwerde. Es liege eine sekundäre Sucht vor, was bereits in einem Gutachten vom 17. Mai 1989 festgestellt worden sei. Zudem seien eine psychische Störung und eine chronische Hepatitis gegeben; beide Krankheiten würden die Arbeitsfähigkeit einschränken (act. G 3.73-2 ff.). Der RAD hielt in der vom Rechtsdienst der IV-Stelle angeforderten Stellungnahme vom 9. August 2007 dafür, bei Ausblendung des Suchtverhaltens könne ein wesentlicher und anhaltender Gesundheitsschaden mit relevanter Einschränkung der Arbeitsfähigkeit aufgrund der ausgewiesenen chronisch aktiven Hepatitis nicht ohne weiteres verneint werden. Die medizinische Situation erscheine demnach nicht abschliessend geklärt. Am 13. August 2007 formulierte der RAD mit Blick auf die nochmalige medizinische Abklärung das vom Versicherten zuvor im Rahmen der Mitwirkungspflicht
einzuhaltende Verhalten (Nachweis einer sechsmonatigen durchgehenden Suchtmittelabstinenz, Inanspruchnahme einer medizinischen Behandlung der Hepatitiserkrankung und einer psychiatrischen Therapie; act. G 3.95). Daraufhin widerrief die IV-Stelle am 25. Oktober 2007 die Verfügung vom 22. Mai 2007 (act.
G 3.90; vgl. zum Abschreibungsbeschluss des Versicherungsgerichts vom 30. Oktober 2007, IV 2007/254, act. G 3.92).
Die IV-Stelle forderte den Versicherten hinsichtlich der Abklärung des Sachverhalts mit Schreiben vom 25. Februar 2008 unter Hinweis auf die Schadenminderungs- und Mitwirkungspflicht auf, erstens den Nachweis einer mindestens sechsmonatigen durchgehenden Suchtmittelabstinenz zu erbringen. Zweitens habe der Versicherte eine Behandlung durch einen mit Hepatitiserkrankungen erfahrenen Internisten aufzunehmen sowie die nach Massgabe des Behandlers angezeigten Behandlungen zu befolgen. Schliesslich habe er eine fachärztlich-psychiatrische Behandlung aufzunehmen und die nach Massgabe der psychiatrischen Fachperson angezeigte Therapie zu befolgen (act. G 3.98). Das den Versicherten vertretende Sozialamt wandte dagegen ein, die geforderte sechsmonatige durchgehende Drogenabstinenz sei weder für die Abklärungen erforderlich noch (vor allem angesichts der langjährigen sekundären Sucht) zumutbar. Im Übrigen wies es darauf hin, dass die in Medikamenten enthaltenen Benzodiazepine eben gerade zur Behandlung der schweren psychischen Störungen (Angstzustände, Depressionen, Suizidgedanken) eingesetzt würden. Das Sozialamt beantragte schliesslich eine zweite Begutachtung des Versicherten (Schreiben vom 26. März 2008, act. G 3.99).
Die IV-Stelle beauftragte am 14. Mai 2008 die MEDAS Ostschweiz mit einer erneuten Begutachtung des Versicherten. Die polydisziplinären Untersuchungen (internistisch, orthopädisch und psychiatrisch) fanden am 18. und 20. August 2008 statt. Die Experten diagnostizierten im Gutachten vom 5. November 2008 mit Einschränkung der zumutbaren Arbeitsfähigkeit ein sekundäres schweres Abhängigkeitssyndrom im Sinn einer Polytoxikomanie (Opiate, Kokain, Marihuana und Benzodiazepine); eine Störung durch Opioide, gegenwärtig Teilnahme an einem ärztlich überwachten Ersatzdrogenprogramm; rezidivierende depressive Episoden, gegenwärtig leichte Störung ohne somatisches Syndrom; eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen, narzisstischen und abhängigen Zügen;
ein belastungsabhängiges lumbovertebrales Schmerzsyndrom; eine beginnende Femoro-Patellararthrose links; eine chronische Hepatitis C, Genotyp 3a mit beginnender Zirrhose mit Relaps nach kombinierter antiviraler Therapie 2003. Psychiatrischerseits wurde für sämtliche Tätigkeiten eine volle Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Medizinische Massnahmen im Sinn eines Drogenentzugs und einer Drogentherapie seien aus psychiatrischer Sicht indiziert und dem Versicherten zumutbar. Bezüglich der Einschätzung der ABI-Gutachter führte der psychiatrische MEDAS-Experte aus, er könne nachvollziehen, dass die Beurteilung der Persönlichkeit wie auch der Depressionen im Rahmen einer Polytoxikomanie schwierig sei. In den Akten gebe es aber verschiedene deutliche Hinweise, dass bereits eine Persönlichkeitsstörung bestanden habe. Er sehe sich nicht in der Lage, das nachvollziehbare psychiatrische strafrechtliche Gutachten vom 17. Mai 1989 der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (worin ausgeführt wurde, dass für die Entwicklung der Suchtkrankheit eine Störung der Persönlichkeitsentwicklung von Bedeutung sei, die von erheblicher Schwere sei; act. G 3.51-19 ff.) und 20 Jahre später im Rahmen eines einmaligen Explorationsgesprächs bei schwerer Drogensucht zu widerlegen. Zudem gebe es in den Akten verschiedene Hinweise von mehreren Ärzten, dass neben der Persönlichkeitsstörung auch eine depressive Erkrankung bestehe. Er gehe davon aus, dass es sich aufgrund der Persönlichkeitsstörung um eine sekundäre Sucht und deshalb um eine IV-relevante Erkrankung handle (act. G 3.108). Der RAD hielt das MEDAS-Gutachten für beweiskräftig. Zur Klärung der verwertbaren Restarbeitsfähigkeit sei eine ausreichende Abstinenz von Suchtmitteln erforderlich. Der Versicherte habe eine mindestens sechsmonatige Abstinenz von Drogen nachzuweisen (Stellungnahme vom 20. Januar 2009, act. G 3.109). Unter dem Betreff "Schadenminderungs- und Mitwirkungspflicht" forderte die IV-Stelle den Versicherten am 21. Januar 2009 auf, sich an die vom RAD formulierten Auflagen zu halten und bis spätestens 20. Februar 2009 bekannt zu geben, durch wen die vorgesehenen Laborkontrollen vorgenommen werden (act. G 3.110). Auf Gesuch des vom Sozialamt vertretenen Versicherten vom 6. März 2009 um Erlass einer beschwerdefähigen Verfügung betreffend die angeordneten Auflagen (act. G 3.114) verfügte die IV-Stelle am 8. April 2009 die Abweisung des Rentengesuchs (act. G 3.115). Nach der dagegen erhobenen Beschwerde vom 4. Mai 2009 (act. G 3.116) widerrief die IV-Stelle am 2. Juli 2009 die angefochtene Verfügung, da sie darin bereits über den Rentenanspruch
befunden habe, anstatt die Auflage zu verfügen (act. G 3.128; zum Abschreibungsbeschluss des Versicherungsgerichts vom 10. August 2009, IV 2009/153, siehe act. G 3.131).
Am 19. August 2009 verfügte die IV-Stelle, auf das Leistungsgesuch des Versicherten werde nicht eingetreten, da er sich weigere, die auferlegten Massnahmen in Form eines Drogenentzugs durchzuführen (act. G 3.132). Gegen diese Verfügung liess der Versicherte am 18. September 2009 Beschwerde erheben (act. G 3.134; vgl. auch Schreiben vom gleichen Tag in act. G 3.133). Der RAD vertrat in der Stellungnahme vom 20. Januar 2010 den Standpunkt, im Sinn einer Minimalvariante sei dem Versicherten eine zehntägige Entzugsbehandlung in der Klinik F. mit anschliessender Begutachtung zumutbar. Allfällige Persönlichkeitsstörungen sollten sich unter diesen Bedingungen beurteilen lassen (act. G 3.147). Die IV-Stelle widerrief am 18. Februar 2010 die Verfügung vom 19. August 2009 (act. G 3.157, zur Begründung des Widerrufs siehe Schreiben der IV-Stelle vom 25. Januar 2010, act.
G 3.149; zum neuerlichen Abschreibungsbeschluss des Versicherungsgerichts vom
11. März 2010, IV 2009/333, siehe act. G 3.163). Im Auftrag der IV-Stelle hielt sich der Versicherte zur psychiatrischen Begutachtung vom 31. Januar bis 8. Februar 2011 stationär in der Klinik F. auf. Im Bericht vom 12. Mai 2011 gab G. , Oberarzt bei den St. Gallischen Psychiatrie-Diensten Süd an, leider hätten die vorgesehenen und zur Beantwortung der mit dem Gutachtensauftrag formulierten Fragen notwendigen Untersuchungen nicht plangemäss durchgeführt werden können, da sich der Versicherte nicht im Stande gesehen habe, den vorgesehenen Benzodiazepinentzug und gegebenenfalls eine Methadonreduktion (je nach psychischem Zustand) durchzuführen. Aus gutachterlicher Sicht bestehe ein hochgradiger Verdacht auf das Vorliegen einer Depression. Zudem liege wahrscheinlich eine Mehrfachabhängigkeit von Opiaten, Benzodiazepinen und eine zusätzliche Alkoholproblematik vor. Zur abschliessenden Beurteilung sei ein Entzug zumindest von Benzodiazepinen und Alkohol notwendig. Inwieweit auch die Methadonsubstitution für eine Begutachtung reduziert werden müsse, sei nach einem Benzodiazepinentzug zu beurteilen (act.
G 3.175; vgl. auch die RAD-Stellungnahme vom 11. Juli 2011, act. G 3.176).
Im Nachgang zu einem am 30. August 2011 durchgeführten Triagegespräch (vgl. Protokoll nach Grundsatzentscheid vom 28. September 2011, act. G 3.178) forderte die
IV-Stelle den Versicherten im Schreiben vom 30. September 2011 unter Hinweis auf die Mitwirkungs- und Schadenminderungspflicht zur Teilnahme an einem mindestens sechs- bis achtwöchigen stationären Entzug von Benzodiazepinen, Opiaten, LSD, Amphetaminen und Cannabinoiden auf (act. G 3.177). Da der Versicherte auf dieses Schreiben nicht reagiert hatte, wurde er von der IV-Stelle im Schreiben vom
28. Oktober 2011 erneut aufgefordert, die am 30. September 2011 angeordneten Auflagen zu erfüllen (act. G 3.179). Das Sozialamt brachte am 15. und 16. November 2011 vor, die Anordnung einer weiteren stationären Abklärung sei nicht nachvollziehbar. Der Versicherte sei bereit, an den verlangten Blut- und Urinkontrollen teilzunehmen. Die noch offene Frage nach der durchzuführenden Institution werde er umgehend mit seinen Ärzten besprechen. Deren Name und Adresse werde der Versicherte baldmöglichst nachreichen. Des Weiteren wies das Sozialamt auf eine fürsorgerische Freiheitsentziehung vom 16. August 2011 hin und machte geltend, es lägen ausreichend medizinische Unterlagen vor, die eine materielle Beurteilung ermöglichen würden (act. G 3.180 und G 3.183; zur vom Departement Innere Medizin des Kantonsspitals St. Gallen [KSSG] wegen akuter Suizidalität/Selbstgefährdung angeordneten fürsorgerischen Freiheitsentziehung und vorsorglichen Einweisung in die Psychiatrische Klinik H. siehe act. G 3.181-1; zur Hospitalisierung des Versicherten vom 16. bis 18. August 2011 in der Psychiatrischen Klinik H. vgl. Austrittsbericht vom 23. August 2011, worin eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome [ICD-10: F32.2], ein Verdacht auf kombinierte Persönlichkeitsstörungen [ICD-10: F61.0] sowie Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen, Abhängigkeitssyndrom, gegenwärtig Teilnahme an einem ärztlich überwachten Ersatzdrogenprogramm [ICD-10: F19.22] diagnostiziert wurden, act. G 3.195). Die IV-Stelle antwortete daraufhin am 30. November 2011, sie erwarte die genannten Angaben und Laborberichte (act. G 3.184).
Da die IV-Stelle keine weiteren Informationen mehr erhalten hatte, ersuchte sie das Sozialamt am 13. Januar 2012, die entsprechenden Angaben so schnell als möglich mitzuteilen (act. G 3.186). Unter Hinweis auf die Stellungnahme von Dr. D. - der sich bereit erklärte, die geforderte Drogenüberwachung zu übernehmen - vom
21. Dezember 2011 und die darin gemachte Ausführung, dass sowohl Methadon als auch Benzodiazepine von ihm ärztlich verordnet seien (act. G 3.188), fragte das Sozialamt die IV-Stelle im Schreiben vom 16. Januar 2012 an, ob und inwieweit die
geforderten Urin- und Blutkontrollen trotz dieser ärztlichen Verordnung erforderlich seien (act. G 3.187). Die am 29. Februar 2012 vom RAD vorgenommene telefonische Nachfrage bei Dr. D. hatte ergeben, dass bislang keine Urin- und Blutproben zur Untersuchung auf Drogen veranlasst worden seien. Dies sei irgendwie untergegangen. Der Versicherte erscheine regelmässig alle zwei Wochen in der Praxis von Dr. D. und werde mit Methadon, Valium, Xanax und Sirdalud substituiert. Dr. D. werde die geforderten Untersuchungen in dreiwöchigen Abständen durchführen. Hierfür sei ein Zeitrahmen von zunächst 3 Monaten avisiert worden. Dr. D. werde veranlassen, dass die Ergebnisse der Urin- sowie Blutproben vom durchführenden Labor direkt der IV-Stelle übermittelt würden (act. G 3.190). Im an das Sozialamt gerichteten Schreiben vom 2. März 2012 führte die IV-Stelle bezugnehmend auf das Telefongespräch zwischen dem RAD und Dr. D. aus, es werde erwartet, dass der Versicherte seine Termine weiterhin alle 2 Wochen regelmässig wahrnehme, sich an die vereinbarten Dosierungen halte und der IV-Stelle die Laborberichte unaufgefordert regelmässig zugestellt würden. Der erste Laborbericht sei bis spätestens 30. März 2012 einzureichen (act. G 3.189).
Die IV-Stelle teilte dem Sozialamt am 18. April 2012 mit, eine - nicht in den Akten dokumentierte - Nachfrage des RAD bei Dr. D. vom 17. April 2012 habe ergeben, dass der Versicherte nur sporadisch in der Praxis erscheine, um Medikamente zu holen. Trotz früherer Hinweise, die für die Erfüllung der Auflagen gesprochen hätten, tue sich jetzt hinsichtlich der geforderten Kontrollen bzw. der Abstinenz bei den diversen Drogen sowie der Reduktion des Benzodiazepinkonsums nichts. Der Versicherte komme den gemachten Auflagen nicht nach. Unter Hinweis auf die Mitwirkungs- und Schadenminderungspflicht forderte die IV-Stelle den Versicherten am
18. April 2012 letztmals auf, bis spätestens 30. April 2012 folgende Auflagen zu erfüllen: Der Versicherte habe weiterhin seine Termine alle 2 Wochen regelmässig wahrzunehmen, sich an die vereinbarte Drogenabstinenz (Opiate, LSG, Amphetamine, Cannabinoide) sowie an die Dosierungen bei den Benzodiazepinen zu halten und der
IV-Stelle die Laborberichte unaufgefordert regelmässig zuzustellen. Dr. D. werde die durch die IV-Stelle vom Versicherten geforderten Untersuchungen in dreiwöchigen Abständen durchführen, dies in einem Zeitrahmen von zunächst 3 Monaten. Dr. D. werde veranlassen, dass der IV-Stelle die Ergebnisse der Blut- und Urinproben vom durchführenden Labor direkt übermittelt würden. Bei Missachtung der Auflagen werde
die IV-Stelle eine Sanktionsverfügung erlassen und aufgrund der Akten entscheiden
(act. G 3.196).
In der Verfügung vom 4. Mai 2012 wies die IV-Stelle das Leistungsbegehren ab. Bis heute habe die IV-Stelle weder eine Zusendung noch eine Reaktion erhalten. Somit komme der Versicherte weiterhin den geforderten, zumutbaren Auflagen nicht nach und verhindere damit, dass eine aussagekräftige Begutachtung zur Bestimmung der Arbeitsfähigkeit durchgeführt werden könne. Die vom Versicherten zu verantwortende Beweislosigkeit wirke sich zu seinen Lasten aus (act. G 3.197).
B.
Gegen die Verfügung vom 4. Mai 2012 richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 5. Juni 2012. Der Beschwerdeführer beantragt darin unter Kosten- und Entschädigungsfolge deren Aufhebung. Des Weiteren sei die als Voraussetzung für eine erneute Prüfung eines Gesuchs um IV-Leistungen verfügte Auflage, wonach er den Nachweis einer vollständigen Drogenabstinenz zu erbringen habe, aufzuheben. Es sei festzustellen, dass im vorliegenden Fall eine Drogenabstinenz im Zusammenhang mit der Schadenminderungs- und Mitwirkungspflicht nicht notwendig bzw. zumutbar sei. Schliesslich sei ihm eine "volle" IV-Rente zuzusprechen bzw. die Angelegenheit zur Abklärung der IV-Rente an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei die angefochtene Verfügung infolge Verletzung der formellen Vorgaben an die Abmahnung aufzuheben. Zur Begründung bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er habe die Mitwirkungspflicht nicht verletzt. Das Gutachten von G. sei mangelhaft. Die Sucht sei die Folge einer vorbestehenden schweren psychischen Störung. Daher sei die Drogenabstinenz für die medizinischen Abklärungen weder erforderlich noch zumutbar. Des Weiteren leide er an einer chronischen Hepatitis C. Indem die Beschwerdegegnerin immer wieder neue Auflagen erteilt habe, die zudem unverhältnismässig und folglich unzulässig gewesen seien, habe sie das Verfahren schikanös hinausgezögert. Aus den Akten ergebe sich, dass er einen Anspruch auf eine "volle" Rente habe. In formeller Hinsicht macht der Beschwerdeführer geltend, die Auflagen seien unpräzise formuliert und die gesetzten Fristen nicht eingehalten worden. Es sei auch unzulässig, Dr. D. als Drittperson Auflagen anzuordnen (act. G 1).
Die Beschwerdegegnerin beantragt in der Beschwerdeantwort vom 17. August 2012 die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Sie vertritt den Standpunkt, weil der Beschwerdeführer bei der Sachverhaltsabklärung seiner Mit wirkungspflicht nicht nachgekommen sei, habe sie androhungsgemäss einen Aktenentscheid gefällt. Da trotz der umfangreichen Akten immer noch nicht habe festgestellt werden können, ob ein invalidisierender Gesundheitsschaden vorliege, habe ein Leistungsanspruch abgewiesen werden müssen. Bei der angefochtenen Verfügung handle es sich um eine Sanktionsverfügung, weshalb auf die Anträge betreffend die Aufhebung der Auflage sowie die Zusprache einer ganzen Rente nicht einzutreten sei. Für die Abklärung der allenfalls vorliegenden Persönlichkeitsstörung und deren Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit müsse der Beschwerdeführer zunächst den Suchtmittelkonsum senken bzw. ganz abstinent leben sowie sich in Behandlung begeben. Die angeordneten Auflagen seien zumutbar. Auffällig sei diesbezüglich, dass der Beschwerdeführer einerseits geltend mache, die Auflagen praktisch erfüllt zu haben und gleichzeitig angebe, diese seien unzumutbar. Innert der zuletzt gesetzten Frist bis zum 30. April 2012 hätte sie den Eingang mindestens eines Laborberichts mit der Analyse mindestens einer Blutprobe erwartet. Da dies nicht der Fall gewesen sei, habe sie die Sanktionsverfügung erlassen (act. G 3).
Mit Präsidialverfügung vom 28. August 2012 wird dem Gesuch des Beschwerde führers um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege (Befreiung von den Gerichtskosten) für das Verfahren vor Versicherungsgericht entsprochen (act. G 4).
In der Replik vom 8. November 2012 hält der Beschwerdeführer unverändert an seinen Anträgen fest. Ergänzend bringt er vor, er gebe bis heute bei Dr. D. Urinproben ab. Dieser habe es unterlassen, deren Ergebnisse an die Beschwerdegegnerin weiterzuleiten. Das Versehen von Dr. D. könne ihm nicht angelastet werden. Der Eingabe sind Berichte von Dr. D. sowie die Ergebnisse von Urinproben (erste Entnahme am 1. Mai 2012) beigelegt (act. G 10).
Die Beschwerdegegnerin führt in der Duplik vom 16. November 2012 aus, die nun eingehaltene Teilabstinenz bzw. die Abgabe von Proben seien für die Beurteilung der vorliegend angefochtenen Verfügung nicht von Relevanz. Massgebender Zeitpunkt sei der Erlass der streitigen Verfügung. Die Frage, ob und wer zu verantworten habe, dass
die Berichte so spät bei ihr eingetroffen seien, spiele keine Rolle. Allein verantwortlich sei der Beschwerdeführer gewesen. So so sei die gesetzte letzte Frist nicht eingehalten worden. Ebenfalls nicht eingehalten worden seien die verlangten Abstinenzen. Am wichtigsten sei aber, dass die Reduktion des Benzodiazepinkonsums nicht dokumentiert sei. Den erst mit der Replik eingereichten weiteren Unterlagen von Dr. D. lasse sich entnehmen, dass die Benzodiazepine nicht bestimmt worden seien, da der Beschwerdeführer von diesen abhängig sei. Der Beschwerdeführer erfülle selbst jetzt die verlangten Auflagen nicht bzw. nur teilweise (act. G 12).
Erwägungen:
1.
Vorliegend zu überprüfen ist die Verfügung vom 4. Mai 2012, worin die Beschwerdegegnerin wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Beschwerdeführer einen Anspruch auf berufliche Massnahmen und Rente abgewiesen hat (act. G 3.197). Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin (act. G 3, Rz 2) ist auf den Rentenantrag des Beschwerdeführers einzutreten, hat sie doch in der angefochtenen Verfügung einen materiellen Aktenentscheid über die Leistungsansprüche des Beschwerdeführers getroffen. Zu prüfen ist auch die Rechtmässigkeit der angeordneten Auflagen, soweit diese zur Abweisung des Anspruchs auf IV-Leistungen geführt haben.
Das sozialversicherungsrechtliche Verfahren ist vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht, indem Verwaltung und Sozialversicherungsgericht von sich aus für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts zu sorgen haben. Dieser Grundsatz gilt indessen nicht uneingeschränkt; er findet sein Korrelat in den Mitwirkungspflichten der Parteien (BGE 125 V 195 E. 2 mit Hinweisen; vgl. BGE 130 I 183 E. 3.2). Der Untersuchungsgrundsatz schliesst die Beweislast im Sinn einer Beweisführungslast begriffsnotwendig aus. Im Sozialversicherungsprozess tragen mithin die Parteien in der Regel eine Beweislast nur insofern, als im Fall der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte. Diese Beweisregel greift allerdings erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen des
Untersuchungsgrundsatzes aufgrund einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (BGE 117 V 265 E. 3b mit Hinweisen).
Kommen die versicherte Person andere Personen, die Leistungen beanspruchen, den Auskunfts- Mitwirkungspflichten in unentschuldbarer Weise nicht nach, so kann der Versicherungsträger aufgrund der Akten verfügen die Erhebungen einstellen und Nichteintreten beschliessen. Er muss diese Personen vorher schriftlich mahnen und auf die Rechtsfolgen hinweisen; ihnen ist eine angemessene Bedenkzeit einzuräumen (Art. 43 Abs. 3 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]). Lässt sich jedoch der Sachverhalt ohne Schwierigkeiten und ohne besonderen Aufwand abklären, auch wenn die versicherte Person die Mitwirkung verweigert unterlässt, so wird die Verwaltung die betreffenden Erhebungen zu tätigen und anschliessend materiell zu entscheiden haben (BGE 108 V 231 f.).
2.
Zunächst ist vorfrageweise zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer eine rechtmässige Mitwirkungspflicht abverlangt worden ist. Vorausgesetzt hierfür ist, dass die im Schreiben vom 18. April 2012 mit Blick auf eine weitere medizinische Begutachtung (vgl. hierzu act. G 3.177 und G 3.189) angeordnete Drogenabstinenz angezeigt und dem Beschwerdeführer zumutbar war.
2.1 Der psychiatrische MEDAS-Gutachter hielt als medizinische Massnahme mit ungünstiger Prognose einen Drogenentzug und eine Drogentherapie als indiziert und zumutbar (act. G 3.108-34). Inwieweit ein erfolgreicher Drogenentzug und eine erfolgreiche Drogentherapie die Arbeitsfähigkeit längerfristig positiv beeinflussen, könne er zurzeit nicht abschätzen (act. G 3.108-48). G. berichtete am 12. Mai 2011, eine Beurteilung des Beschwerdeführers sei vor dem Hintergrund der deutlichen Medikamenteneinwirkung nicht möglich gewesen (act. G 3.175-7). Zur abschliessenden Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers sei ein Entzug zumindest von Benzodiazepinen und Alkohol notwendig. Inwieweit auch die Methadonsubstitution für eine (aussagekräftige) Begutachtung reduziert werden
müsse, sei nach einem Benzodiazepinentzug zu beurteilen (act. G 3.175-5). Im Triage- Gesprächsprotokoll vom 28. September 2011 kam die Beschwerdegegnerin unter Mitbeteiligung vom RAD zum Schluss, ohne einen vorausgehenden Entzug von mindestens den Benzodiazepinen und Alkohol könne keine vernünftige Begutachtung durchgeführt werden (act. G 3.178). Gestützt auf diese Aktenlage erscheint der medizinische Sachverhalt als noch nicht rechtsgenüglich abgeklärt, weshalb mit der Beschwerdegegnerin ein medizinischer Abklärungsbedarf zu bejahen ist. Es ist weiter mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass für eine gutachterliche Beurteilung der Leistungsfähigkeit kein ad hoc-Entzug sämtlicher Suchtmittel erforderlich ist. Vielmehr ergibt sich aus der genannten Aktenlage, dass ein schrittweiser, unter Beachtung der medizinischen Zumutbarkeit vorgenommener
(Teil-)Entzug einzelner Suchtmittel hinsichtlich einer aussagekräftigen medizinischen Beurteilung genügt.
Im Schreiben vom 18. April 2012, das in Kopie an Dr. D. gesandt wurde, formulierte die Beschwerdegegnerin folgende bis zum 30. April 2012 zu erfüllende Auflagen: 1. Es werde erwartet, dass der Beschwerdeführer seine Termine (bei
Dr. D. ) weiterhin alle zwei Wochen regelmässig wahrnehme, sich an die vereinbarte Drogenabstinenz (Opiate, LSD, Amphetamine, Cannabinoide) sowie an die Dosierungen bei den Benzodiazepinen halte und die Laborberichte unaufgefordert regelmässig zustelle. 2. Dr. D. werde die durch die IV-Stelle beim Beschwerdeführer geforderten Untersuchungen in dreiwöchigen Abständen durchführen, dies in einem Zeitrahmen von zunächst 3 Monaten. Dr. D. werde veranlassen, dass die
Ergebnisse der Blut- und Urinproben vom durchführenden Labor direkt der IV-Stelle übermitteltwerden. Über eine notwendige Begutachtung könne nach 3 Monaten entschieden werden (act. G 3.196).
Vorweg ist zu wiederholen, dass die medizinischen Fachpersonen aufgrund des Suchtmittelkonsums des Beschwerdeführers nicht in der Lage waren, verlässliche Aussagen über die gesundheitliche Situation und die krankheitsbedingt eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers zu machen (vgl. vorstehende E. 2.1). Die Beschwerdegegnerin sah sich daher grundsätzlich zu Recht veranlasst, die Voraussetzungen für eine aussagekräftige Sachverhaltsabklärung zu schaffen. Die hierzu getroffenen Anordnungen beschlagen einzig die Mitwirkungspflicht des
Beschwerdeführers und ihre Verhältnismässigkeit hat sich am angestrebten Zweck, nämlich der Ermöglichung einer gutachterlichen Abklärung der verwertbaren Arbeitsfähigkeit, zu richten. Mit anderen Worten kann im vorliegend zu beurteilenden Abklärungsstadium nicht mehr gefordert werden, als ein Verhalten, das den Experten in die Lage versetzt, sich ein ausreichendes Bild über die gesundheitliche Situation zu verschaffen. Denn es handelt sich beim geforderten Verhalten - bloss, aber immerhin - um eine Untersuchungsmassnahme im Hinblick auf eine allfällige Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin (Urteil des Bundesgerichts vom 2. Dezember 2010, 9C_914/2010,
E. 3). Vorfrageweise zu prüfen ist deshalb, ob dem Beschwerdeführer im Schreiben vom 18. April 2012 eine rechtmässige Mitwirkungspflicht abverlangt worden ist. Die Aspekte der den Versicherten
obliegenden Schadenminderungspflicht gemäss Art. 21 Abs. 4 ATSG spielen vorliegend keine Rolle, da es unzulässig ist, das Abklärungsverfahren mit Schadenminderungspflichten - deren Sanktionsfolgen sich erst nach einem feststehenden Leistungsanspruch aktualisieren - zu verbinden (Urteil des Versicherungsgerichts vom 22. Juli 2009, IV 2008/91, E. 4.1.3).
Aufgrund dessen, dass es sich beim geforderten Verhalten um eine Abklärungsmassnahme handelt, erscheint das angeordnete Verhalten zumindest in qualitativer Hinsicht insofern als unverhältnismässig, als vom Beschwerdeführer im Schreiben vom 18. April 2012 eine mehrmonatige Abstinenz betreffend die Stoffe Opiate, LSD, Amphetamine sowie Cannabinoide gefordert wurde. Nach der Beurteilung von G. kann bereits ein (Teil-)Entzug von Benzodiazepinen und Alkohol für eine valide Begutachtung genügen (act. G 3.175-5). Diese Sichtweise wurde von der Beschwerdegegnerin unter Mitbeteiligung des RAD anlässlich des Triage-Gesprächs vom 30. August 2011 bestätigt (act. G 3.178-2). Ferner ist die Verhältnismässigkeit der am 18. April 2012 angeordneten Abstinenzauflage in zeitlicher Hinsicht zweifelhaft, da dem langjährigen polytoxikomanen Beschwerdeführer ein sofortiger, innerhalb einer Frist von weniger als 14 Tagen (bis spätestens 30. April 2012) zu realisierender ad hoc- Entzug nicht zugemutet werden könnte. Auch die Beschwerdegegnerin erachtet in der Beschwerdeantwort eine etappenweise Reduktion des Suchtmittelkonsums als zielführend ("zunächst den Konsum senken", act. G 3, Rz 3; "bzw. den Konsum zu reduzieren", act. G 3. Rz 6; "bzw. Reduktion der Substanzen", act. G 3, Rz 7). Schliesslich erweist sich das im Schreiben vom 18. April 2012 geforderte Verhalten als
unvollständig und deshalb als nicht zweckmässig, weil die Alkoholproblematik unerwähnt blieb. Vor diesem Hintergrund ist die Rechtmässigkeit der auferlegten Mitwirkungspflicht zu verneinen und es kann offen bleiben, ob die im Schreiben vom
18. April 2012 gesetzte kurze Frist bis 30. April 2012 unter Berücksichtigung der durch die langjährige Polytoxikomanie eingeschränkten Reaktions- und Willensbildungsfähigkeit des Beschwerdeführers einer angemessenen Bedenkzeit entspricht, und ob die weiteren gegen die angeordneten Auflagen vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwände (wie etwa Missverständlichkeit in zeitlicher Hinsicht, act. G 1, S. 12) zutreffen.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerdegegnerin vom Beschwerdeführer bei allem Verständnis für die für eine rechtsgenügliche Sachverhaltsabklärung schwierige Situation und trotz ihrer bislang gezeigten Geduld für das Verhalten des Beschwerdeführers angesichts der Einschätzung von G. keine rechtmässige Mitwirkung verlangt hat, weshalb die am 4. Mai 2012 verfügte Sanktion (Abweisung im Rahmen eines Aktenentscheids) unzulässig ist. Da sich der medizinische Sachverhalt als nicht spruchreif erweist (vgl. vorstehende E. 2.1), kann über die Leistungsansprüche noch nicht entschieden werden. Ergänzend ist zu bemerken, dass die Beschwerdegegnerin in der angefochtenen Verfügung "aufgrund der Akten" entschieden hat. Indessen fehlt es an einer erkennbaren Aktenwürdigung, namentlich des MEDAS-Gutachtens vom 5. November 2008. Ein Aktenentscheid darf aber nicht einzig unter dem Blickwinkel der Mitwirkungsverweigerung erfolgen, sondern es muss - dem Wesen eines Aktenentscheids folgend - die gesamte Aktenlage materiell berücksichtigt werden (Urteil des Bundesgerichts vom 28. März 2007,
I 988/06, E. 7 mit Hinweis). Diesen Grundsatz missachtete die Beschwerdegegnerin bei ihrem Entscheid, weshalb die angefochtene Verfügung selbst bei bejahter Rechtmässigkeit der geforderten Mitwirkung aufzuheben wäre (vgl. Urteil des Versicherungsgerichts vom 18. April 2012, UV 2011/102, E. 6.1 f.).
2.6 Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass der Beschwerdeführer am 1. Mai 2012 - und damit noch vor dem Erlass der angefochtenen Verfügung vom 4. Mai 2012 - zu einer ersten Urinkontrolle bei Dr. D. erschienen ist und seither sich regelmässig weiteren Kontrollen unterzieht (siehe Beilagen zu act. G 10), mithin die Bereitschaft für ein mitwirkendes Verhalten im Abklärungsverfahren signalisiert hat. Dass die
entsprechenden Ergebnisse der Beschwerdegegnerin nicht zugestellt wurden, kann dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen werden, wurde doch Dr. D. wiederholt mit der Besorgung der direkten Zustellung der Ergebnisse an die Beschwerdegegnerin
beauftragt (act. G 3.190-2 und G 3.196-2). Dr. D. übernahm denn auch ausdrücklich die Verantwortung für die zunächst unterbliebene Zustellung (Schreiben vom 14. September 2012, act. G 10). Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin (act.
G 12) trägt der Beschwerdeführer hierfür nicht die Verantwortung, zumal eine entsprechende Auflage zulasten des Beschwerdeführers nicht - zumindest nicht ausdrücklich und klar - im Schreiben vom 18. April 2012 angeordnet wurde. Vielmehr wählte die Beschwerdegegnerin in diesem Kontext eine personenkreisoffene Formulierung ("Wir erwarten, […] und uns die Laborberichte unaufgefordert regelmässig zugestellt werden"), weshalb für den Beschwerdeführer angesichts der bereits zuvor und im Schreiben vom 18. April 2012 erfolgten Beauftragung von
Dr. D. kein erkennbarer Anlass für ein entsprechendes Verhalten bestand.
3.
3.1 Nach dem Gesagten ist die angefochtene Verfügung vom 4. Mai 2012 in teilweiser Gutheissung der Beschwerde aufzuheben. Die Sache ist an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit sie das Abklärungsverfahren fortführe und über das Leistungsgesuch erneut entscheide.
3.2 Das Beschwerdeverfahren ist kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von Fr. 200.-- bis Fr. 1'000.-- festgelegt (Art. 69 Abs. 1bis des Bundesgesetzes über die
Invalidenversicherung [IVG; SR 831.20). Eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.-- erscheint als angemessen. Die Rückweisung zur Neubeurteilung gilt praxisgemäss als volles Obsiegen (BGE 132 V 215 E. 6.2). Somit unterliegt die Beschwerdegegnerin vollumfänglich. Sie hat deshalb die gesamte Gerichtsgebühr von Fr. 600.-- zu bezahlen.
3.3 Die Zusprache einer Parteientschädigung gemäss Art. 61 lit. f ATSG fällt ausser
Betracht, da der Beschwerdeführer durch das Sozialamt vertreten wird (vgl. die im
Entscheid des Versicherungsgerichts vom 18. November 2011, IV 2009/341, E. 5.2,
begründete Praxisänderung).
Demgemäss hat das Versicherungsgericht entschieden:
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird die Verfügung vom 4. Mai 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur Weiterführung des Abklärungsverfahrens im Sinn der Erwägungen zurückgewiesen.
Die Beschwerdegegnerin hat eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.-- zu bezahlen.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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